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Warum Anaerobierdiagnostik

Argumente vieler Laborärzte, aber auch Mikrobiologen sind, daß eine valide Anaerobierdiagnostik weder durch den Kosten- noch durch den Zeitaufwand gerechtfertigt sind. Insbesondere, wenn Befunde nach einem oder zwei Tagen zu erstellen sind, ist dies, sofern Anaerobier nachzuweisen sind, nicht zu schaffen. Damit wäre die therapeutische Konsequenz für die Patienten fragwürdig. Dies wird in der Abbildung dargestellt; dabei zeigt das dicke Ende des Balkens auf die hohen Kosten.Kosten-Nutzen der Anaerobierdiagnostik
Hauptargument ist zudem, daß Anaerobier meistens Mischinfektionen verursachen, bei denen aerob wachsende Erreger beteiligt sind. Wenn diese fehlten, seien Anaerobier alleine nicht zur Infektion befähigt. Aber hier gibt es - wie im grampositiven Bereich bei den Staphylokokken - Unterschiede. Bacteroides fragilis, auch Fusobacterium spp. sind sehr wohl befähigt, alleine schwere Krankheitsbilder wie Sepsis, Abszessbildung oder Lemierre Syndrom (F. nucleatum, F. necrophorum) zu verursachen. Fehlender Nachweis oder gar Identifizierung kann damit die Befundinterpretation verfälschen oder zu Fehldiagnosen führen. Dagegen kommen einige Anaerobier, wie Bacteroides vulgatus häufig als Kontaminanten vor und gelten als Indiz für massive Einschwemmung aus florabesiedelten Kompartimenten (z.B. Nahtinsuffizienz nach Darmoperation) oder als Merkmal für unsachgemäße Probengewinnung.
Anaerobier seien therapeutisch, egal zu welcher Spezies sie gehören, durch chirurgische Maßnahmen (sofern der Infektionsort chirurgisch zugänglich ist) oder durch Medikamente, wie Metronidazol, gut zugänglich. Mittlerweile wurden aber erste Metronidazol-resistente B. fragilis beschrieben, sodass diese Faustregel auch nicht mehr universelle Geltung hat.
Deshalb gilt:
Aus primär sterilen Materialien muss unbedingt ein anaerober Ansatz mit angelegt werden. Die Differenzierung der Anaerobier dient nicht nur der "Namensgebung", sondern dient auch wie bei aerob wachsenden Erregern der Unterscheidung Kontaminant - oder Infektionserreger. Desweiteren gibt es gezielte Fragestellungen, die den Anaerobiernachweis aus Gewebeproben notwendig machen, die sonst den mikrobiologischen Standards entsprechend nicht auf Anaerobier untersucht werden.
Zwei Fälle sollen hier als Beispiel genannt werden:
Ein Patient mit z.N. enterovesicaler Fistel, die einen Monat zuvor operiert wurde, klagte weiterhin über Luftabgang beim urinieren. Es stellte sich die Frage nach dem Fortbestand der Fistel oder einer weiteren Fistel. Bildgebende Verfahren konnten keine Fistel nachweisen. Im Mittelstrahlurin wurde B. fragilis in einer Keimzahl von 106/ml als Reinkultur isoliert. B. fragilis wurde hier als Infektionserreger, sozusagen als Residuum nach fäkaler Kontamination der Blase, gewertet und eine Therapie mit Piperacillin/Tazobactam eingeleitet. Nach drei Tagen war der Patient beschwerdefrei. Von einer Reoperation wurde abgesehen.
Bei einem anderen Patienten mit ähnlicher Fragestellung fanden sich im Mittelstrahlurin neben Escherichia coli (104-5/ml) auch Bacteroides thetaiotaomicron und B. vulgatus in einer Keimzahl von 106/ml. Dieser Befund war konsistent mit persistierender Fistelung und der Patient wurde einer Operation zugeführt.
So kann mit gezielter Diagnostik sehr wohl eine therapeutische Konsequenz erreicht werden und die Kosten für die Patientenversorgung reduziert werden.
Copyright by L.T. Zabel, 2005